Kritische Thesen zu Ursprungslehren
I. Naturwissenschaft, Evolutionstheorie und Evolutionismus

Naturwissenschaft sucht Antworten auf die „Wie“ - Frage

Was ist Naturwissenschaft? Es ist nicht einfach, diese Frage allgemeingültig zu beantworten. Ich wähle als experimentell arbeitender Biologe eine pragmatische Beschreibung der alltäglichen Tätigkeit in unserem Labor:  Naturwissenschaftliche Arbeit ist die Suche nach natürlichen Ursachen und Gesetzmäßigkeiten für beobachtbare Phänomene auf einer physiko-chemischen Ebene. Wir suchen Antworten auf die „Wie“-Frage. Dabei hat sich die empirische Methode (Experiment und Beobachtung) als wesentliches Element vielfach bewährt. Aufgrund ihrer reduktionistisch ausgerichteten Methode befasst sich die Naturwissenschaft im engeren Sinne nur mit reproduzierbaren Phänomenen. Die naturwissenschaftliche Untersuchung der sichtbaren Welt, also die Beantwortung der „Wie-Frage“, erfolgt ohne Bezugnahme auf übernatürliche Faktoren.  Das naturwissenschaftliche Forschungsprogramm war und ist außerordentlich erfolgreich.

Naturwissenschaft kann nicht grundsätzlich ausschliessen, dass eine natürliche Ursache für manche Phänomene möglicherweise gar nicht existiert. Wie könnten wir auch wissen, ob sich alle Erscheinungen der Welt auf physiko-chemische Prozesse zurückführen lassen? Die Suche nach natürlichen Ursachen könnte also grundsätzlich vergeblich sein. Man wird allerdings nie sicher wissen, wann ein solcher Fall gegeben ist. Als Naturwissenschaftler dürfen wir die Suche nach natürlichen Ursachen deshalb weder aufgegeben, noch darf sie behindert werden. Wird die Möglichkeit, dass der naturwissenschaftliche Erkenntnisweg begrenzt ist,  jedoch generell ausgeschlossen, bewegt man sich nicht länger auf naturwissenschaftlichem, sondern auf weltanschaulichem (naturalistischen) Gebiet (s. u.). Solange das offen gelegt und nicht absolut gesetzt wird, ist dagegen nichts einzuwenden.

Verdienste der Evolutionsforschung

Die Evolutionstheorie als naturwissenschaftliches Forschungsprogramm im oben ausgeführten Sinn konnte wichtige biologische Phänomene erklären (Mikroevolution: genetische Variation, Mutation, Selektion, neutrale Evolution, Artbildung u.a.m.). Evolutionsbiologen haben wesentlich zu einem vertieften Verständnis des Lebendigen beigetragen und viele Erkenntnisse von Charles Darwin sind noch heute aktuell. Evolutionsforscher konnten insgesamt zeigen, dass Evolution im Sinne von Variation und Anpassung ein fundamentales Kennzeichen des Lebens ist (Übersicht in Ridley 2006). Diese wissenschaftlichen Leistungen verdienen Anerkennung. Leben ist jedoch so komplex, dass auch auf der Ebene der Mikroevolution bei weitem noch nicht alle Probleme geklärt sind. Experimentelle und theoretische evolutionsbiologische Forschung sind deshalb notwendig und förderungswürdig.

Gibt es eine naturwissenschaftliche Antwort auf die „Woher“-Frage?

Die empirische Methode als wichtigstes Instrument des Naturwissenschaftlers ist im strengen Sinne auf die Analyse gegenwärtiger Phänomene beschränkt. Naturwissenschaftliches Denken kann unter bestimmten Umständen aber auch auf die Analyse vergangener Vorgänge angewendet werden. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Woher kommt das Universum? Wie ist seine heutige Form entstanden? Wenn astrophysikalische, gemessene Daten auf der Grundlage unseres derzeitigen physikalischen Wissens im Rahmen eines Urknallmodells schlüssig gedeutet und vielleicht sogar gerechnet werden könnten, dann wäre die Urknalltheorie eine stimmige naturwissenschaftliche Beschreibung der möglichen Entstehungsgeschichte des beobachtbaren Universums (vgl. dazu Pailer & Krabbe 2006). Zwar ist sie experimentell nicht prüfbar, also der empirischen Methode nicht direkt zugänglich, denn niemand kann den Urknall wiederholen. Auch wenn die Theorie stimmig ist, kann man nie beweisen, ob der tatsächliche Verlauf der Kosmosgeschichte der Theorie wirklich folgt. Vielleicht, weil es mehrere Theorien gibt. Vielleicht, weil alles ganz anders war. Stephen Hawking meint, eine Theorie sei nichts als ein mathematisches Modell, das wir entwerfen, um die Natur zu beschreiben. Es existiere nur in unserem Kopf.  Dieser Sachverhalt steht der Akzeptanz einer in sich stimmigen Urknalltheorie aber nicht entgegen.

Eine ähnliche Argumentation gilt grundsätzlich auch für die biologische Evolutionstheorie. Ausgehend vom Erfolg der naturwissenschaftlichen Erkenntnismethode im Bereich der Erforschung mikroevolutiver Prozesse wird diese Methode auch auf die Frage nach dem Ursprung und der Geschichte des Lebens („Woher-Frage“) angewendet.  Die Evolutionstheorie wird hier über den Bereich der empirisch fassbaren Mikroevolution hinaus als Deutungsrahmen für zahlreiche biologische und paläontologische Daten benutzt (Makroevolutionstheorie). Allerdings können streng experimentelle Prüfungsverfahren nicht angewendet werden, denn niemand kann den Evolutionsprozess insgesamt wiederholen (s.o.). Die entscheidende Frage ist, ob die Evolutionstheorie zumindest theoretisch auch die Woher-Frage (Makro-Evolution) so erfolgreich behandelt, wie sie mikroevolutive Prozesse beschreibt. Daran wurden Zweifel geäussert.

Naturwissenschaftliche Kritik an Makro-Evolutionstheorien

Als Biologe bin ich der Überzeugung, dass Kernprobleme der Evolutionstheorie bisher nicht gelöst wurden. Stichworte sind: Ursprung des Lebens, Entstehung biologischer Information, Makroevolution, z.B. Bauplanentstehung. Ein Überblick über kritische Einwände ist in Junker & Scherer (2006) zusammengestellt. Ich meine, biologisch begründen zu können, dass es sich dabei durchaus nicht um Randprobleme handelt, sondern dass diese Schwierigkeiten die bisher vorgeschlagenen Mechanismen für Makroevolution grundsätzlich und ernsthaft in Frage stellen. Ein überzeugender alternativer Mechanismus ist m.E. auch nicht in Sicht (daraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass ein solcher niemals gefunden wird). Naturwissenschaftliche Kritik an der Evolutionstheorie ist zunächst ein unverzichtbarer Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses, der von weltanschaulichen Elementen, so weit möglich, frei gehalten werden muss.

Unfehlbarkeit der Evolutionstheorie?

Weil die Evolutionstheorie unbestritten weit reichende weltanschauliche und ethische Konsequenzen hat, sollte sie eigentlich besonders kritisch geprüft werden. Leider erweist sich das als schwierig, wenn die Kritik über Randprobleme hinausgeht. Ich finde es einigermaßen verblüffend, dass es Evolutionsbiologen gibt, die eine grundlegende naturwissenschaftliche Kritik an der Evolutionstheorie kategorisch ablehnen. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen sei gesagt, dass bezüglich verschiedener konkurrierender Teiltheorien innerhalb der Evolutionstheorie naturwissenschaftliche Kritik zum selbstverständlichen wissenschaftlichen Alltag gehört. Es sollte unter Naturwissenschaftlern darüber hinaus unstrittig sein, dass die Evolutionstheorie, wie jede andere wissenschaftliche Theorie auch, durch naturwissenschaftliche Argumente auch grundlegend kritisiert werden darf. Das muss unabhängig von der Motivation des Kritikers und auch dann möglich sein, wenn diese Theorie von der überwiegenden Mehrheit der scientific community vertreten wird. Grundlegende sachliche Kritik muss auch dann gestattet sein, wenn keine gleichwertige naturwissenschaftliche Alternative vorliegt.

Müssen wir als Naturwissenschaftler nicht grundsätzlich damit rechnen, dass sich unsere Theorien im Extremfall sogar als falsch erweisen? Die Evolutionstheorie wird heute jedoch aus dem Naturbild direkt in ei naturalistisches Weltbild übertragen und weithin absolut gesetzt. Man muss leider damit rechnen, dass grundlegende Kritik massiv behindert und sogar sanktioniert wird  (ein gut dokumentiertes Beispiel dafür findet sich bei Richard Sternberg). Diese, wie auch immer motivierte, Ausblendung von Argumenten trägt ideologische Züge. Die Evolutionstheorie wird in diesem Fall zum Evolutionismus und wird faktisch nicht nur in den Rang der Unfehlbarkeit, sondern auch in den Status der  Unantastbarkeit erhoben.

II. Intelligent Design (ID)

Was ist ID?

Intelligent Design geht zunächst lediglich von der Möglichkeit aus, dass ein  - wie auch immer gearteter - Schöpfer existiert und planvoll bei der Entstehung der Welt gewirkt hat. Darüber hinaus spielen spezifische weltanschauliche Voraussetzungen keine Rolle. ID ist mit sehr vielen religiösen Vorstellungen und Gottesbildern kompatibel.

Anhand definierter Kriterien wird nach so genannten „Design-Signalen“ gesucht (z.B. irreduzibel komplexe Strukturen), aus deren Existenz das Wirken eines willensbegabten, zielorientiert agierenden Urhebers abgeleitet wird (vgl. Junker 2004; Rammerstorfer 2006). Bei einer entsprechend klaren Formulierung von Fragestellungen und von Erkennungskriterien für Design-Signale motiviert dieser Ansatz zu naturwissenschaftlicher Forschung: Die Behauptung, dass eine gegebene Struktur ein Design-Signal darstellt, kann zwar niemals bewiesen, jedoch dadurch widerlegt werden, dass die Entstehung dieser Struktur durch Naturprozesse plausibel gemacht wird.

Kreationismus (s.u.) und Intelligent Design sind inhaltlich zwei verschiedene Ansätze. ID lehnt, im Gegensatz zum Kreationismus, eine evolutionäre Geschichte des Lebens nicht grundsätzlich ab, bestreitet aber, dass Makroevolution beim derzeitigen Kenntnisstand auf natürliche Ursachen zurück geführt werden kann. Einige ID Vertreter lehnen allerdings auch Makroevolution als Vorgang ab.

Ist ID naturwissenschaftlich?

Insofern ID-Vertreter sich auf die Bearbeitung der Frage beschränken, ob beobachtbare Strukturen beim derzeitigen Stand der Kenntnis auf natürliche Ursachen zurück geführt werden können, arbeiten und argumentieren sie naturwissenschaftlich. Die Suche und eventuelle Widerlegung klar definierter Design-Signale erfolgt unter Einsatz der empirischen Erkenntnismethode der Naturwissenschaft.

Wenn unter naturwissenschaftlicher Arbeit die „Suche nach natürlichen Ursachen für beobachtbare Phänomene auf einer physiko-chemischen Ebene“ verstanden wird (s.o.), dann ist Intelligent Design insgesamt keine naturwissenschaftliche Theorie, denn das Ziel von ID ist ja explizit die Suche nach "ausser“ natürlichen, also nicht physiko-chemischen Erklärungen. Damit ist nicht gesagt, dass ID insgesamt nicht als Wissenschaft betrieben werden kann, doch überschreitet sie als Ganzes den Bereich der Naturwissenschaft. Dadurch wird sie nicht „weniger wissenschaftlich“, vorausgesetzt, ID Vertreter arbeiten mit definierten Methoden und beachten die Regeln solider wissenschaftlicher Arbeit.

ID und Politik in den USA

Intelligent Design als Bewegung begann in den 90er Jahren in den USA, verbunden mit dem Discovery Institute. Die naturwissenschaftlich fundierten, kritischen  Ansätze sowie die Bemühungen um Sachlichkeit und weltanschauliche Neutralität erschienen mir attraktiv. Im Lauf der Zeit geriet dieses Institut nach meiner Wahrnehmung jedoch zunehmend in die spezifisch amerikanische, kulturpolitische Auseinandersetzung. Dabei wurde immer mehr der Eindruck erweckt, bei Intelligent Design handle es sich um eine alternative naturwissenschaftliche Theorie. Eine direkte Konsequenz daraus war der Versuch, ID mit politischen und juristischen Mitteln in den Naturkundeunterricht an staatlichen Schulen zu bringen. Ich finde diese Entwicklung bedauerlich. Inzwischen hat sich die Auseinandersetzung um Intelligent Design in den USA weiter intensiviert und scheint teilweise den Charakter eines „Kulturkampfes“ anzunehmen. Das neue Buch des Biologen und prominenten ID-Vertreters Jonathan Wells (2006) ist ein Beispiel dafür, mit welcher Schärfe die Auseinandersetzung – übrigens von allen Seiten - derzeit geführt wird. Man mag das von politischen Auseinandersetzungen gewohnt sein, der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung dient es nicht.

Die Entwicklung und Ausformulierung der naturwissenschaftlichen Argumente der wachsenden internationalen Gemeinschaft der ID Vertreter, die zu einem erheblichen Teil aktiv forschende Naturwissenschaftler sind, verfolge ich dagegen interessiert und finde diesen Ansatz nach wie vor sehr interessant.

III. Kreationismus

Was ist Kreationismus?

Der Kreationismus kommt aus dem englischsprachigen Raum und wird von einigen Gruppen innerhalb von Freikirchen, den evangelischen Kirchen und, seltener, der katholischen Kirche vertreten. Ein Teil des Kreationismus befasst sich, ähnlich wie Intelligent Design, mit der Kritik an der Evolutionstheorie. Im Wesentlichen beruht der Kreationismus aber auf einem bestimmten Bibelverständnis.

Durch die in USA maßgeblichen Bewegungen ist der Kreationismus seit vielen Jahren eindeutig gekennzeichnet: Er sieht im Schöpfungsbericht der Bibel typischerweise naturwissenschaftliche Aussagen und beansprucht für diese Texte ein direkt astronomisch/ geologisch/ biologisches Verständnis. Ein junges Alter ("Schöpfungsalter") des gesamten Universums sowie die „Tatsache der Schöpfung“ wird für wissenschaftlich sehr gut begründet gehalten („Creation Science“). Die Bildung der meisten geologischen Schichtfolgen wird in der Regel auf die Dauer eines Jahres (Sintflut) zurückgeführt. Nicht selten wird das kreationistische Ursprungsmodell für wissenschaftlich viel besser begründet angesehen als die Evolutionstheorie.

Nicht wenige Anhänger des Kreationismus erheben einen Absolutheitsanspruch auf ihre Modellvorstellungen und lehnen jedes konkurrierende Verständnis auch der biblischen Texte ab. Evolutionsforschung wird mitunter pauschal abgelehnt. Normalerweise wird in den USA, mit bedingt durch die dortige gesellschaftliche Situation, angestrebt, evolutionskritische oder kreationistische Positionen im naturkundlichen Unterricht mit juristischen Mitteln zu verankern.

Kritik am Kreationismus

Als ich mich als Student dem christlichen Glauben zuwandte, stand ich dem Kreationismus amerikanischer Prägung zunächst sehr nahe. Obgleich ich nach wie vor ein ausgesprochen konservatives Verständnis der Heiligen Schrift vertrete, habe ich heute ein distanziertes Verhältnis zu wesentlichen Erscheinungen des Kreationismus:
-   Anders als der Kreationismus denke ich, dass ein junges Alter ("Schöpfungsalter") des Universums und der Erde nur entgegen der meisten derzeit akzeptierten astronomischen und geophysikalischen Daten geglaubt werden kann. Auch die Annahme, dass die meisten geologischen Schichtfolgen in einem Jahr gebildet wurden, erscheint mir mit geologischen und paläontologischen Daten unvereinbar.
-    Die im Kreationismus nicht seltene, in manchen Kreisen sogar häufige Ausblendung „unpassender“ Daten bei dem Versuch, ein bestimmtes Verständnis von der Geschichte des Universums, der Erde und des Lebens zu begründen, trägt mitunter ideologische Züge und ist konträr zu einer wissenschaftlichen Arbeitsweise.
- Nach meinem Verständnis erheben die Schreiber der Urgeschichte der Heiligen Schrift den Anspruch, über das anfängliche Handeln Gottes mit der Menschheit in einer geschichtlichen Dimension zu berichten. Dabei steht das Gerichts- und Erlösungshandeln Gottes im Mittelpunkt.  Ich kann es aus verschiedenen Gründen nicht nachvollziehen, wenn die Urgeschichte der Heiligen Schrift im Kreationismus sozusagen als naturkundlicher Text gelesen wird.
-    Die Polemik, mit der im Kreationismus zuweilen gegen andere Positionen vorgegangen wird, ist bedenklich.
-    Die unter Kreationisten hin und wieder erhobene Forderung, Evolutionsforschung nicht mit öffentlichen Mitteln zu fördern, halte ich für wissenschaftsfeindlich.
-    Den Versuch, Schöpfungslehren im naturkundlichen Unterricht zu verankern, kann ich nicht nachvollziehen. Noch abwegiger wäre das Vorhaben, die Evolutionslehre aus dem Biologieunterricht zu entfernen oder für beide Ziele gar juristische Mittel einzusetzen (siehe dazu mein Text „Evolution und Schöpfung in der Schule“ auf dieser home page).

IV Weitere Schöpfungslehren

Innerhalb der christlichen Kirchen existieren verschiedene Zugänge zu den alt- und neutestamentlichen Texten, die von Schöpfung handeln. Als Christ stehe ich für eine auf Christus bezogene Auslegung alt- und neutestamentlicher Schöpfungstexte. Ich halte es für bedauerlich und schädlich, wenn sich Christen an dieser Stelle gegenseitig theologisch bekämpfen und jeweils Absolutheitsansprüche erheben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist kein Plädoyer für Beliebigkeit. Auch eine theologische Überzeugung muss ihren Geltungsanspruch verteidigen (sonst wäre sie keine). Wichtig ist dabei aber eine positive Streitkultur, die anderen Überzeugungen sachlich, respektvoll und freundlich begegnet.

Schöpfung durch Evolution („theistische Evolution“)

Die meisten Christen versuchen Schöpfungsglauben und Evolutionstheorie in dem Sinne zu harmonisieren, dass der Schöpfer sich des Evolutionsprozesses bedient hat, um das Leben ins Dasein zu bringen. Dabei gibt es eine Reihe verschiedener Ausgestaltungen dieses Grundansatzes, die von dem Versuch motiviert sind, mit den derzeit anerkannten biologischen sowie erdgeschichtlichen und kosmologischen Daten und Deutungen in Übereinstimmung zu stehen. Wenn auf substantielle naturwissenschaftliche Kritik an der Evolutionstheorie verzichtet wird, haben diese Lösungen den Vorteil, dass einige schwerwiegende Konflikte zwischen Evolutionstheorie und Schöpfungsanschauung auf naturwissenschaftlicher Ebene vermieden werden. Verzicht auf Kritik an der Evolutionstheorie ist jedoch kein allgemeines Merkmal theistischer evolutionärer Anschauungen. Nicht selten bilden diese den theologischen Hintergrund von Intelligent Design Vertretern.

Theologisch („heilsgeschichtlich“) begründete Ansätze

Hier wird der Schöpfungsbericht vom Neuen Testament her zu deuten versucht, in dessen Zentrum Jesus Christus steht. Dabei kommt es zu Widersprüchen zwischen einer Makroevolutionslehre nach Darwin’schem Mechanismus und Grundaussagen des Neuen Testamentes (Stichworte: Ursache des Bösen, von Tod und Leid, Theodizeeproblem). Diese Widersprüche treten besonders hervor, wenn versucht wird, darwinistische Grundprinzipien in den ethischen Bereich zu übertragen.

Widersprüche zur allgemein anerkannten, naturalistischen Sichtweise über den Ursprung und die Geschichte des Lebens können eine (teilweise) alternative Deutung der naturwissenschaftlichen Daten motivieren. Als Ergebnis können Schöpfungslehren (von sehr unterschiedlicher Art) formuliert werden.

Grundsätze für Schöpfungslehren

Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung sollten Schöpfungslehren die im folgenden genannten Grundsätze beachten:

- Evolutionskritik an sich, sei sie wissenschaftlich noch so solide und substantiell, ist nicht als Basis für einen Schöpfungsglauben geeignet. Selbst die besten naturwissenschaftlichen Argumente können Gott nicht beweisen, können den Glauben nicht wirklich begründen.

- Bei den meisten alternativen Deutungen wird „Offenbarungswissen“ (i.a.: Heilige Schrift) vorausgesetzt, deshalb kann das Ergebnis (eine Schöpfungslehre) im Gesamten nicht den Rang einer naturwissenschaftlichen Theorie haben. Schöpfungslehren gehören deshalb nicht in den naturkundlichen Unterricht.

- Weltdeutungen im Rahmen einer Schöpfungslehre dürfen nicht absolut gesetzt werden. Sie müssen sich der kritischen Frage stellen, ob es möglich oder sinnvoll ist, die theologischen Grundvoraussetzungen und/oder die davon abhängenden Deutungen der Erscheinungen der sichtbaren Welt zu revidieren.

- Stimmen wissenschaftliche Daten und Schöpfungslehre überein, ist das kein „Beweis“ für die Wahrheit der Schöpfungslehre, denn wissenschaftliche Daten sind häufig auf unterschiedliche Weise deutbar. Offenbarungswissen („Die Bibel“) ist grundsätzlich nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden beweisbar.

- Befinden sich wissenschaftliche Daten und Schöpfungslehre im Widerspruch, muss dieser Widerspruch aus wissenschaftlicher und theologischer Redlichkeit heraus offen gelegt werden. Die Ausblendung von Daten wäre ideologisch. Widersprüche können exegetische Gründe haben, an der fehlerhaften Deutung von Daten oder der (gegenwärtigen?) Begrenzung des naturwissenschaftlichen Kenntisstandes liegen.

V. Literaturhinweise

Rammerstorfer M (2006) Nur eine Illusion? Biologie und Design. Tectum, Marburg

Junker R (2004) Intelligent Design. http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/i1622.php

Junker R, Scherer S (2006) Evolution - ein kritisches Lehrbuch. Weyel, Giessen

Pailer N, Krabbe A (2006) Der vermessene Kosmos. Ursprungsfragen kritisch betrachtet. Hänssler, Holzgerlingen

Ridley M (2006) Evolution. Blackwell.

Wells J (2006) The politically incorrect guide to Darwinism and Intelligent Design. Washington.

(c) by Siegfried Scherer